Aufruf zur Demonstration gegen das baden-württembergische
Versammlungsgesetz am 6. 12. 2008
Ja zum Grundrecht auf Versammlungsfreiheit!
Nein zur Verschärfung des Versammlungsgesetzes!
Die baden-württembergische Landesregierung will ein neues
Versammlungsgesetz, das das Bürgerrecht auf Versammlungsfreiheit
erheblich einschränkt. Es schafft bürokratische Hürden, sieht
die Registrierung, Überwachung und Erfassung der TeilnehmerInnen
vor und gibt Polizei und Behörden die Möglichkeit für willkürliche
Erschwernisse, Eingriffe in die Versammlung und die Rechte der
Versammelten.
Das Recht auf Versammlungen im Saal wird eingeschränkt:
Obwohl das Grundgesetz nur für Versammlungen unter freiem Himmel
gesetzliche Beschränkungen zulässt, sieht das neue
Versammlungsgesetz nun auch für Versammlungen im Saal Einschränkungen
vor:
- Behörden können in das Selbstbestimmungsrecht von
Organisationen eingreifen. Z.B. kann demokratisch gewählten
Vorsitzenden die Leitung einer Versammlung untersagt werden.
- Die Behörde kann die Benennung einer von ihr festgelegten Zahl
von Ordnern (mit Wohnsitz und Geburtsdatum) verlangen und
gleichzeitig Ordner als ungeeignet ablehnen und somit
Versammlungen undurchführbar machen.
- Der Versammlungsleiter macht sich strafbar, wenn er nicht
rechtzeitig Gewaltbereitschaft erkennt und die
Versammlung beendet.
Die Demonstrationsfreiheit wird ausgehöhlt:
Noch dramatischer sind die Einschränkungen für Demonstrationen
und Kundgebungen im Freien:
- Schon zwei Personen gelten künftig als Versammlung. Das kann
z.B. bedeuten, dass bereits die Aufstellung von Streikposten bei
einem Arbeitskampf als Demonstration angemeldet werden muss.
- Die Anzeigefrist soll verlängert werden auf 72 (statt 48)
Stunden vor der ersten Einladung zur Versammlung.
- Bei der Entscheidung über Verbot und Auflagen könnten die
Rechte Dritter wie z.B Verkehrsteilnehmer und
Gewerbetreibende eine Rolle spielen.
- Versammlungsleiter und Ordner werden zum verlängerten Arm der
Polizei gemacht, statt die Anliegen der Versammelten zu
vertreten. Sie werden registriert und haftbar gemacht und können
als ungeeignet abgelehnt werden.
- Bereits gleiche Mützen oder gleichfarbige Streikwesten von
Gewerkschaften können als militant und einschüchternd
gewertet und verboten werden.
- Die Polizei darf fast ohne Einschränkungen in die Versammlung
eingreifen und z.B. die Personalien der TeilnehmerInnen
feststellen.
- Versammlungen können nach Gutdünken der Polizei gefilmt und
die Aufnahmen nahezu beliebig gespeichert werden.
- Bereits bei der Anreise zu Versammlungen gilt ein Sonderrecht für
polizeiliche Kontrollen und Schikanen.
Naziaufmärsche werden nicht verhindert.
Das vorgebliche Ziel, besser gegen Naziaufmärsche vorgehen zu können,
wird verfehlt. Bereits in der Vergangenheit wurden
antifaschistische Aktivitäten häufig seitens der Behörden
erschwert. Im neuen Gesetz werden nun verstärkt gerade
diejenigen behindert, die sich in Versammlungen gegen
Rechtsradikale wenden. Um Rechtsradikale zu bekämpfen wären
u.a. Verbote von Naziorganisationen angebracht, nicht aber
Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, die alle treffen.
Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht!
Das Recht auf offene Diskussion und öffentliche Meinungsäußerung
gehört zur Grundsubstanz der Demokratie. Die Baden-württembergische
Landesregierung macht es mit ihrem Entwurf aber zum Sonderfall,
der besonderer behördlicher und polizeilicher Beobachtung
unterstellt ist. Versammlungen enthalten ein Stück ursprünglich-ungebändigter
unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen
Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren,
sagt das Bundesverfassungsgericht.
Wir sagen: Dabei soll es bleiben.
Deshalb rufen wir alle Menschen dazu auf, gegen die geplante
Beschränkung der Versammlungsfreiheit zu demonstrieren.
Erstunterzeichner:
Johannes Beck; Jochen Dürr; Cuno Hägele; Bernd Riexinger,
Markus Spreitzer; Thomas Trüten; Dieter Lachenmayer; AGIF; AK
Vorratsspeicherung; Antifa-Aktion Heidenheim; ATIK-Konföderation
d. Arbeiter aus der Türkei in Europa; ATIK-YDG (Neue
demokratische Jugend); ATTAC Schorndorf; Deutscher Freidenker
Verband Stgt. E.V.; DGB - Deutscher Gewerkschaftsbund BaWü; DGB
OV Fellbach; DIE LINKE KV Stuttgart; DKP Deutsche
Kommunistische Partei BaWü; DKP Kreis Stuttgart; freier
zusammenschluß von studentInnenschaften - fzs; Friedensnetz BaWü;
Initiative:"Reiche Stadt-arme Kinder" Stgt.; Libertäre
Initiative Stuttgart (LISt); Linke Hochschulgruppe Stgt.;
linksjugend [`solid] BaWü und Rems Murr Kreis; Mauthausenkomitee
Stgt.; Metalkeepers; MLPD Landesverband BaWü ; MLPD Kreisleitung
Stuttgart; Piratenpartei LV BaWü; Rote Hilfe; SAV Stgt.; SDAJ
Stuttgart; Solidarität International Ortsgruppe Stgt.;
Stipendiatengruppen der Hans-Böckler-Stiftung Stuttgart/Ulm u. Tübingen;
ver.di Bezirk Stuttgart; VVN-Bund der Antifaschisten LV BaWü;
VVN-BdA Kreisvereinigung SHA; Waldheim Gaisburg e.V.; Waldheim
Stgt. e.V. Clara-Zetkin-Heim;