In der Sendung "Ein Fall für Escher" am 14.04.05 hatten RA Klaus-Peter Stamm aus Berlin und der Strafrechtler Prof. Peter-Alexis Albrecht ihre spezielle Meinung zum Rechtsstaat.

RA Klaus-Peter Stamm

Ich glaube, das Beste ist wohl heutzutage Betrüger zu sein. Das Negative spült sich immer nach oben, nicht das Positive, das Gute.

Prof. Albrecht spricht von einer Klassenjustiz, die nach wie vor besteht. Die Gesetze helfen eher denjenigen, die sich vor ihnen verstecken können. Die Rechtsvorschrift des Betrugstatbestandes müsse nicht geändert werden. Personalaufstockungen und Sachresourcen müßten bei der Richterschaft und den Staatsanwälten hergestellt werden. Verhältnisse in den Rechtsvorschriften und der Justiz müßten geschaffen werden, die einen schnellen Schadensausgleich ermöglichen.

Hinsichtlich der Klassenjustiz ist folgendes zu sagen. Es ist konkreter eine Justiz zugunsten des Staates, der Großunternehmen sowie den Helfern, insgesamt also einer bestimmten Kaste. Der Begriff Klasse ist zu sehr festgelegt. Im Rest richtet man sich sehr wohl auch nach den finanziellen Verhältnissen, aber nicht grundlegend. Z.B. muß ein Finanzstarker häufig erst das Instanzenrecht durchlaufen, bis er seinen klar berechtigten Anspruch durchsetzen kann. Es werden ihm also gewollt unnötige Kosten verursacht, durch die er sogar in Schuldenprobleme gelangen kann.

Der Betrugstatbestand im StGB ist eindeutig beschrieben und bedarf keiner Ergänzung. Personalaufstockungen etc. sorgen evtl. höchstens für die Bearbeitung von mehr Fällen, aber nicht für mehr richtige Entscheidungen. Dazu müßte man zugleich das Willkürbewußtsein der Staatsanwälte und Richter abstellen.

Bzgl. des Schadensausgleichs gibt es eine Unmenge auch schnell wirkende Rechtsvorschriften, die aber häufig vom Wortlaut und der Rechtsprechung dazu widersprüchlich angelegt sind. Dieser Umstand hat in der Praxis häufig den Zweck, eine bestimmte Prozeßpartei entweder bevorteilen oder benachteiligen zu können, z.B. indem die Richter einen berechtigten Anspruch einer Prozeßpartei durch Verdrehung der Rechtslage iVm unzureichenden prozessualen Verhaltens durch das Gericht verneinen. Der Ablaufplan im Prozeßrecht muß eindeutig bestimmt sein, woran es erheblich mangelt. Im bürgerlichen Recht, Verwaltungsrecht etc. bedarf es einer übersichtlichen Gliederung sowie Eindeutigkeit und Konstruktion von Rechtsvorschriften, so daß für eine bestimmte Fallvariante exakt dieselben Rechtsvorschriften in Anwendung kommen müssen. Die derzeitige Gesetzessituation und Rechtsprechung läßt hingegen unproblematisch die Falschanwendung, Unterlassung und Falschauslegung von Vorschriften in elementaren Bereichen zu. Elementar sollte z.B. sein, daß ein Bürger keinen unverschuldeten und unzumutbaren Vermögensverlust, Verschuldung, gesundheitliche Beeinträchtigung oder Strafe hinnehmen muß. Aber um diesen Zusammenhang dem Bürger vermitteln zu können, bedarf es bei ihnen an eigenen hinreichenden Rechtskenntnissen. An sich ist Recht einfach, wie z.B. die Berücksichtigung des gesamtgesellschaftlichen Erfordernisses und der Zumutbarkeit, eindeutig verstandene und durchgeführte Verträge, Vermeidung jeglicher Schadenszufügung und unberechtigte Bereicherung, Notwendigkeit des Nachweises einer Handlung, kein provozierendes, beleidigendes oder drohendes Verhalten etc., wer hat mit einem schädlichen Verhalten begonnen, die zeitliche Reihenfolge von Handlungen und deren Auswirkungen, Verhältnismäßigkeit eines bestimmten Verhaltens zu einem anderen usw. Diese Dinge sind dann logisch konsequent zu bewerten, ohne dabei in Banalitäten auszuarten.

Zumutbar ist z.B. nicht eine dauernde Lebensbeeinträchtigung oder gesundheitliche Folgen, dagegen aber kurzzeitige Beeinträchtigungen ohne Folgen. Die Bewertung der Sachlage hat auf einem wissenschaftlich-empirischen Erkenntnisstand zu erfolgen und nicht auf der subjektiven Meinung einzelner. Den allgemeinüblichen aber noch groben Sachverstand sollte man sich mindestens in der Rechtskommentierung angelesen haben. Doch selbst dieser mangelt es an Klarheit.

Prozessual wird z.B. einem Bürger die Durchsetzung eines Anspruchs erschwert, wenn er in die Berufungsinstanz zunächst ohne Anwalt kommen will (PKH-Antrag), weil das zuständige Gericht entgegen sonst üblicher Regelung fest vorgeschrieben und eine Verweisung eines bei einem unzuständigen Gericht eingelegten PKH-Antrages für eine Berufungsklage an das Richtige ebenfalls entgegen sonst üblicher Regelung (irreführende Verhaltenswirkung) nicht zulässig ist. Eine Rechtsmittelbelehrung ist im Zivilverfahren nicht vorgesehen. Typische Ausrede bildet hier das Beratungshilfegesetz, denn mit Hilfe eines Beratungsscheines des Gerichts hätte sich der minderbemittelte Bürger die notwendige Beratung bei einem Rechtsanwalt gegen eine Gebühr von ca. 25.- € verschaffen können. Die 1-Monatsfrist, die irreführende Verhaltenswirkung, die fehlende Kenntnis vom Beratungsgesetz, verspätete Zustellungen des vormaligen RA, Zeitverzögerungen bis zum Aufsuchen des beratenden RA, falsche Auskünfte des Gerichts und des RA führen leicht zur Fristversäumnis. Das ist übrigens allgemein der Zweck der Überregulierung in Deutschland.

Sinn der gesamten Rechtspraxis muß es aber sein, die gewollten Rechte des Bürgers zu gewährleisten, ansonsten gerät die Gesellschaft in eine ungesunde Schieflage. Z.B., indem so geprellte Bürger Unrechtes tun und Kriminalität zum Alltag eskaliert. Und dann wird die Klärung der Frage erschwert, wer oder was hat zum unrechten Verhalten geführt. Ein eigentlich Unschuldiger kann so zum Schuldigen werden, denn der Betroffene hätte bei normalen Lebensablauf die Tat nie begangen. Es werden je nach Kenntnis- und Bewußtseinsstand die mitmenschlichen Verhältnisse untereinander, wie z.B. die Familienplanung, nachteilig beeinflußt sowie die Bereitschaft Verträge zu schließen, Geld- und Vermögensanlagen zu tätigen sowie Unternehmen zu gründen oder zu erweitern und trägt zur Auswanderung bei.

In einer Sendung "Ein Fall für Escher" im Mai 2001 wurde u.a. ein Handwerker vorgestellt, der nur durch dieses bestehende Rechtssystem wegen ausbleibenden Zahlungen von Auftraggebern über 100000.- DM an Rechtskosten verloren hatte.
Der Rechtswissenschaftler Uwe Wesel stellte klar, Recht sei eine Herrschaftswissenschaft und da will man sich nicht so gerne rein reden lassen.
Warum wohl? An dieser Stelle muß klargestellt werden, alle Dinge können mehrere Seiten haben. Der Begriff Herrschaft kann sich auf Hochrangigkeit aber auch auf Machtverhältnisse beziehen. Die Rechtswissenschaft selbst unterliegt einer inneren Logik, die auf dem gleichen Recht für alle und letztlich aus den Urrechten (Naturrechten) des Menschen logisch konsequent, allseitig betrachtet und hohen Erkenntnisstand hergeleitet wird. Alles andere würde immer mit Gewaltanwendung abgehen. Ein Gesellschaftsvertrag, wie das Grundgesetz (sonst die Verfassung, Völkerrecht etc.), stellt eine bestimmte Ausgestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens und -wirkens einer bestimmten Gesellschaft dar. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt sich, ob man friedlich miteinander leben will. Das geht nur mit wenig Kriminalität und dem gegenseitigen Vertrauen können.
Beispielhaft meinte Herr Wesel, daß in naher Zukunft Vermögensdelikte nicht mehr unter Strafe gestellt werden und andere Sanktionen in Anwendung kommen sollen. Welche sind nicht genannt worden. Eine Absicht den Volkssouverän darüber zu befragen, war auch nicht zu erkennen. Ein Erkenntnisstand (wiss. Studien), daß dies zur Verringerung von Vermögensdelikten führt, ist auch nicht dargetan worden. Der beisitzende Justizminister Kolbe aus Sachsen widersprach diesem Vorschlag, weil derartige Straftaten sich steigern würden, da die Abschreckungswirkung erheblich geschwächt wäre.
Eine andere ernsthafte Sanktion gibt es auch nicht. Der Täter würde in Haft wie außerhalb der Haft arbeiten, er wäre draußen aber frei und das Risiko weiterer Straftaten oder daß er sich ins Ausland auf Dauer absetzt, würde erhöht. Ein möglicher Bewußtseinswandel des Täters durch die neue Sanktionsweise dürfte nur bei Ersttätern zutreffen. Die werden aber schon heute meißt mit Bewährungsstrafe bedient. DDR-Rechtswissenschaftler mußten damals schon feststellen, daß kriminelles Verhalten auf rudimentären Erscheinungen beruhe und nicht abschaffbar sei. In einer Glitzerweltgesellschaft gepaart mit Armut dürfte diese Erkenntnis noch mehr zutreffen. Der Vorschlag des Herrschaftswissenschaftlers greift also nicht, sondern führt ganz konsequent in eine Gesellschaft, die die Gesellschaft, respektive der Normalbürger, garnicht haben will. Allein die Kosten der Haftunterbringung würden sich verringern.
Einem Wissenschaftler der eine Wissenschaft als Herrschaftswissenschaft bezeichnet, wir nehmen mal an, im Sinne von hochrangig, sollten diese Patzer nicht passieren. Herr Wesel hat übrigens schon viele merkwürdige Äußerungen getätigt. Früher nannte man solche Leute Chefideologen.

zurück