In der Sendung "Kulturzeit" am 28.09.05 wurde über die schlechte Situation der Pressefreiheit in Deutschland berichtet.

Reporter Ronny Klein von der "Dresdner Morgenpost" steht entgegen dem gesetzlich geschützten Zeugnisverweigerungsrecht (Informantenschutz) unter polizeilicher Überwachung, weil ihm ein Informant der Staatsanwaltschaft per Telefon brisante Informationen zuspielte. Mittels Gerichtsbeschluß ist die Überwachung der privaten und dienstlichen Telefonleitung erwirkt worden. Das erfolgte mit dem Trick der Anwendung des Antiterrorparagraphen § 100g der StPO, der bei Verdacht auf Täter- oder Teilnehmerschaft bei einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder bei Friedensverrat, Hochverrat, gegen Landesverteidigung, Fahnenflucht, kriminelle und terroristische Vereinigung sowie Volksverhetzung die Auskunftspflicht der Telefonanbieter vorsieht.

Im Fall des Journalisten Bruno Schirra der Zeitschrift "Cicero" drangen Polizisten in seine Privatwohnung ein und beschlagnahmten 15 Umzugskartons mit Recherchematerial zu dem irakischen Terroristen Abu Musab Al Tazqawi. Aus einem geheimen BKA-Papier hatte er in der Zeitschrift zitiert, was zum Vorwurf der Beihilfe zum Geheimnisverrat führte. Tatsächlich wollte man aber den Verräter beim BKA ausfindig machen und das nicht veröffentlicht werden sollte, daß Deutschland Ziel eines terroristischen Attentats sein könnte, worin der Iran verwickelt ist.

Reporter Nikolaus Brauns der Zeitung "Junge Welt" wollte über ein Treffen Rechtsextremer schreiben, das von 18 vermummten Linken aufgemischt wurde. Ihn verdächtigte dann die Staatsanwaltschft, nicht Journalist, sondern Tipgeber zu den linken Störern zu sein. Computer, Handy und das komplette Archiv mit allen Kontakten zum linken Millieu werden beschlagnahmt. Allgemein stellt Brauns fest, daß der Staat den Journalisten Straftaten unterstellt, um an die Daten zu kommen.

In einer Rede beim Zeitungskongress der deutschen Verleger sprach Otto Schily, Bundesinnenminister (SPD), den Journalisten das Recht ab, Beihilfe zum Geheimnisverrat leisten zu dürfen. Ein Interview wollte er nicht geben.

Insgesamt wird in der Sendung festgestellt, daß diese Vorfälle in der Vergangenheit schon Dutzende Mal geschehen sind. Das Vertrauen der Informanten wird dadurch nachhaltig erschüttert.

Der Kommuniktionswissenschaftler Weischenberg der Universität Hamburg bezeichnete das als typisches Politikerverhalten in Diktaturen, dort wird sehr gerne zur Disziplinierung mit diesem Vorwurf des Geheimnisverrates operiert. Es wird zur Einschränkung der Pressefreiheit Druck auf die Presse ausgeübt. Man müsse vorsichtig sein, Pressefreiheit stirbt immer ganz langsam.

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In der Sendung "kulturzeit" vom 13.10.05 stellte der Medienrechtler Udo Branahl fest, daß die Staatsanwaltschaft gem. der herrschenden Lehre (Urteile) recht gehabt habe. Es beginge Geheimnisverrat, wenn ein Journalist Geheimnisse weitergibt, die er von einem Informanten erfahren hat.
Herr Branahl kritisiert, daß das herrschende Lehre ist. Recht sei keine Mathematikaufgabe. Hier haben uns die Strafrechtler ein Ei ins Nest gelegt, indem sie eine ausweitende Interpretation der Beihilfevorschrift für den Geheimnisverrat erfunden haben. Eigentlich ist diese Geheimhaltungsvorschrift nur für Mitarbeiter der Behörden gedacht. Die Ausdehnung auf Journalisten, indem man sie für beihilfefähig erklärt, war ursprünglich nicht geplant. Die Pressefreiheit wird nunmehr in ihrem Kern tangiert, denn es sei Aufgabe der Massenmedien, daß interne Informationen, die von allgemeinen Interesse sind, an die Öffentlichkeit gelangen. Wenn man dafür bestraft werden kann, dann hat das zur Konsequenz, daß Berichterstattung aus staatlichen Behörden defacto unmöglich wird. Das kann nicht Sinn und Zweck von Pressefreiheit sein. Dann macht man die Kritik- und Kontrollfunktion der Massenmedien kaputt. Der Informantenschutz wäre ausgehebelt, wenn sämtliches Recherchematerial, wie hier geschehen, von der Polizei eingezogen werden darf. Der nach einer aktuellen BVerfG-Entscheidung vorgeschriebene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht gewahrt, wenn statt der BKA-Unterlage sämtliche Unterlagen des Journalisten eingezogen werden.

Als die Zeitung "Die Welt" und andere im April 06 von Stasi-Tätigkeiten einer ehemaligen Ehefrau mittels eines Gutachtens der Freien Universität Berlin berichteten, wird das den Zeitungen durch das Berliner Landgericht untersagt, weil ein einseitiger Eindruck vermittelt würde. Weiterhin wird Kritik der Zeitungen an der Rechtsprechung verboten. Der Chefredakteur der Zeitung "Die Welt" Roger Köppel meint das sei schon ein Dürrenmatscher Stoff, den man eigentlich ins Theater bringen müßte. Die Behörde (Gericht) wolle bestimmen, was über sie gesagt werden dürfe. Das habe nichts mehr mit Pressefreiheit zu tun, sondern wir erleben hier eine Art Protektionismus (Willkürherrschaft).

In einem anderen Fall ist der Süddeutschen Zeitung die Veröffentlichung von Stasi-Tätigkeit ebenfalls untersagt worden. Für den Redakteur Heribert Prantl (ehemaliger Staatsanwalt) wird so die Pressefreiheit stranguliert, Richter schränken sie ohne juristische Rechtfertigung massiv ein. Der Satz, die größte Gefährdung der Pressefreiheit seit der Spiegel-Affäre, klingt übertourt, ist es aber nicht.
(Frontal 21, 16.05.06; kulturzeit, 17.05.06)

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