Nachfolgend geschilderte Rechtslage hat sich mit dem neuen Recht (Februar/2008), daß auf dem gerichtlichen Wege nunmehr Vätern, Müttern und Kindern ein Recht auf einen Gentest erlaubt, teilweise geändert.
In einem Fall in der Sendung Escher (19.01.06, MDR) ging eine
Ehe nach 16 Jahren auseinander. Ohne Beisein anderer teilte die
ehemalige Ehepartnerin dem Mann 1999 mit, daß das Kind nicht von
ihm stamme, einen anderen Vater hätte. Ob sie weitere
Einzelheiten dazu nannte, wird in der Sendung nicht mitgeteilt.
Der Mann reichte im Dez. 2001 Klage (offensichtlich zunächst nur
PKH-Antrag) beim Amtsgericht Eisenach ein. Die Frau bestritt dann
ihre Aussage, weshalb keine Aussicht auf Erfolg vom Gericht
festgestellt wurde.
Der Mann unterliegt zudem der Unterhaltspfändung.
Dann wurde die Klage zurückgezogen, weil die Frau einem
Vaterschaftstest zustimmte. Der Test ergab, daß keine
Vaterschaft bestehe. Im Frühjahr 2004 klagte der Mann daraufhin
erneut.
Das AG und dann das OLG entschieden aber ablehnend, weil der Mann
bereits seit 1999 durch die Mitteilung der Frau von dem Umstand
der Nichtvaterschaft wußte. Die 2-Jahresfrist zur Anfechtung der
Vaterschaft sei bereits verstrichen. Der Zugang der Entscheidung
an den Mann oder Rechtsanwältin wurde nicht genannt.
Die Rechtsanwältin des Mannes war davon ausgegangen, daß das
Gutachten einen erneuten Fristlauf auslösen würde.
Richter Bäumel, der zugleich stellvertretender Vorsitzender am deutschen Familiengerichtstag ist, meint, das Amtsgericht, sowie das Oberlandesgericht haben eine Entscheidung getroffen, die so hoffentlich keinen Bestand haben werde. Wie hätte verfahren werden müssen, schilderte er nicht. Der Mann solle mit Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör rügen. Er könne sich nicht vorstellen, daß die Karlsruher Richter hier eine Erfolgsaussicht verneinen. Weitere Möglichkeiten bestünden nicht. Die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde nannte er nicht.
Die Rücknahme der ersten Klage (oder des PKH-Antrages) hat
verursacht, daß die 2-Jahresfrist gem. § 1600 b BGB nicht
eingehalten wurde. Die allgemeinen Verjährungsregeln gelten
wegen Abs. 6 nicht. Zur Kenntniserlangung der Nichtvaterschaft
reicht nach Ansicht der mit der Sache befaßten Gerichte das
Gespräch, daß der Mann mit der Frau geführt hat, aus (offenbar
BGH 61, 195). Danach hat die Anwältin des Mannes ihre Pflichten
durch die Rücknahme verletzt und eine Anwaltshaftung liegt vor.
Folglich wäre die Entscheidung der Gerichte im zweiten Verfahren
sogar korrekt. Zudem dürfte die 1-Monats-Frist zur Einlegung der
Verfassungsbeschwerde abgelaufen sein, die nun ohnehin erfolglos
wäre und anzunehmen ist, daß Escher die Sache nicht so zeitnah
ins Programm genommen haben wird.
Der Erfolg eines Anwaltshaftungsprozesses würde für diesen Fall darin liegen, nachzuweisen, daß die Frau den Vaterschaftstest auch ohne die Rücknahme der 1. Klage (PKH-Antrag) durchgeführt hätte. Im Klageverfahren kann vom Gericht der Vaterschaftstest angeordnet werden. Für das PKH-Recht liegen in der Kommentierung keine Angaben für diesen Sonderfall vor. Jedoch mussen wegen der Schwere und dem Recht auf Rechtsschutz des noch dazu unverschuldeten Mittellosen entweder die Anfechtungsgründe erleichtert werden oder der Vaterschaftstest zulässig sein. Die Anwaltshaftung wäre somit erfolgversprechend.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt, daß für die Kenntniserlangung eine sichere Kenntnis erforderlich ist. Sie meint damit, die Umstände (zB Ehebruch) müssen für den Mann gewiß sein. Bloßer Verdacht genüge nicht.
Ein Fachgericht wird nun mit der Auffassung zitiert,
"Für einen Anfangsverdacht reicht die Mitteilung der
Mutter, der als Vater geltende Mann sei nicht der leibliche
Vater, nicht aus" (Kln Fam Rz 05, 43). Offenbar hatte das
Gericht dabei den Hintergedanken, Scheinbehauptungen der Mutter,
aus was für Gründen sie sie auch immer haben könnte,
auszuschließen.
Sollte im vorliegenden Fall die Mutter sich nicht über
Einzelheiten geäußert haben und der Vater auch im gerichtlichen
Verfahren keine Einzelheiten vorgetragen hat, könnte man auch
den Gerichten im zweiten Verfahren eine rechtswidrige
Entscheidung anlasten. Die 2-Jahres-Frist hätte dann nämlich
nicht mit der Offenbarung der Mutter, sondern erst mit
Kenntniserlangung des Gutachtens begonnen. Die Amtshaftung bei
Richtern hingegen wird in der Rechtsprechung für PKH-Verfahren
wieder unterschiedlich interpretiert und ist selbst bei
Hauptsacheverfahren ohnehin nur auf schwere Fälle des
Rechtsbruchs beschränkt.
Wegen des Paradoxes in der Rechtsprechung wäre die Vorlage zum
Bundesverfassungsgericht angezeigt gewesen, wobei wenigstens ein
Hinweis der Anwältin dazu an die Gerichte hätte erfolgen
müssen. Somit ist auch hier die Anwaltshaftung
erfolgversprechender, weil vermutet werden kann, daß ein
entsprechender Hinweis nicht erfolgte.
Soweit die Rechtssache noch nicht 14 Tage zurückliegt (Es
galt einmal nur eine verfahrensbezogene Frist, die nunmehr auf 14
Tage verkürzt ist (07.03.03 BGH IX ZB 11/02; erst so richtig in
Anwendung seit ca. 17.10.05 (21 U 527/04 OLG Dresden) an einigen
Gerichten und kurioser Weise erst bekannt seit März/06 - Neue
Juristische Wochenzeitschrift, Heft 12/06.), könnte man auch
noch mit einer Gegenvorstellung wegen der Verletzung des
rechtlichen Gehörs die gerichtliche Entscheidung beanstanden.
Andernfalls würde wiederum die Anwaltshaftung greifen.
Die Regelung der 14-tägigen Frist gilt an Finanzgerichten nicht
(BFH 13.10.05 - IV S10/05, hier wegen mangels besonderer
Rechtsgrundlage).
Hinsichtlich der Pfändung des Unterhalts ist sie nur zulässig, wenn der Mann seine Unterhaltspflicht schuldhaft verletzt hat. Im Falle zu geringen Einkommens, gilt der Selbstbehalt (Berliner Unterhaltstabelle). Niemals darf aber das Existenzminimum unterschritten werden (§ 1603 BGB; BGH 111, 194). Damit ist das verbleibende Einkommen und nicht die Pfändungsgrenze gemeint.
Weiterhin sei nebenbei angemerkt, im Falle von PKH-Anträgen hatte die Rechtsprechung vor der BGB-Reform das Paradox der Verjährung und Nichtverjährung parat (Palandt-Heinrichs, § 209 BGB, Rn 23; anders Friedrich, BGB, 4. Aufl., S. 381). Mit der BGB-Reform muß nun der Antragsteller das Gericht begründet dazu anhalten, daß eine Zustellung an den Prozeßgegner erfolgt (§ 204 Abs. 1 Ziff. 14 BGB).