Nachfolgend ein aufschlußreiches Statement der Linken zu den Hedge-Fonds und Aussagen der Frau Pau zu den Bürgerrechten.
Die Notwendigkeit gegen die Hedge-Fonds vorzugehen, steht außer Frage. Das kann jedoch nur ein Privileg der Opposition sein (s. Grüne in den 80er Jahren und heute), da nicht befürchtet werden muß, daß die parlamentarische Mehrheit den Antrag mitträgt. Soll heißen, der demokratische Anschein wird gewahrt. Analoges Beispiel sogar auf kommunaler Ebene ist der Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall (Report München 09.01.06). Die dortige SPD-Fraktion hatte im Sommer 05 eine Pressemitteilung herausgegeben, daß ein Beschluß des Stadtrates aus 2003 zur Prüfung des Zustandes der Eissporthalle immer noch nicht erfolgt sei. Im entsprechenden Antrag dazu heißt es u.a. "Ansonsten könnte es passieren, daß es zu einer Schließung wegen unterlassener Hilfeleistung kommt.". Diese Mitteilung verschwand kurz nach der Tragödie von der Homepage der SPD. Sie sei unglücklich gewählt gewesen.
In der Report-Sendung vom 17.07.06 legte die SPD aus Bad Reichenhall Wert auf die Feststellung, daß ihr bis zum Einsturz der Halle keine Hinweise auf Sicherheitsmängel und Gefahren für Leib und Leben vorlagen. Dieser Einwand ist unerheblich, weil daraus keine anderweitige Entstehung der damaligen Aussage deutlich wird. Der gesamte Antrag und damit verbundene Sachverhalte und Nachweise müssen zur Klarstellung geprüft werden.
Angeklagt wurden Ende 2008 nur Architekten, Gutachter und Statiker, wobei nur ein Statiker, weil er eingeräumt hatte, Fehler bei der Berechnung gemacht zu haben, zu einem halben Jahr Bewährung verurteilt wurde. Die Gemeindeverwaltung wurde garnicht erst angeklagt, wobei ein Nebenkläger die Stadt Reichenhall als die wahren Verantwortlichen ansah.


Den Freispruch des Gutachters hob der BGH am 12.01.10 wieder auf. Das LG Traunstein sprach den Gutachter damals frei, weil es nach einem ungeprüften Sachvortrag davon ausging, daß die Mitarbeiter der Stadt auch dann nicht aktiv geworden wären, wenn er gewarnt hätte. Denn man hatte auch bei früheren Hinweisen des Gutachters nichts unternommen. Der Dacheinsturz sei somit keine Folge eines Fehlverhaltens des Gutachters (fehlende Kausalität). Das LG Traunstein müsse nun, weil es das rechtsfehlerhaft unterlassen hatte, prüfen, ob die Stadt Bad Reichenhall reagiert hätte (Mitarbeiterbefragung), wenn das Gutachten richtig erstellt worden wäre. Es könnte zudem ein Gefälligkeitsgutachten zugunsten der Stadt erfolgt sein, weil trotz der hohen Kosten für das Gutachten (3000,- €) die Prüfung des Zustandes der Dachkonstruktion offenbar nicht mit beauftragt war (Phoenix, 12.01.10 u.a.).

Ähnliches gilt zu den genannten Angriffen auf Bürgerrechte. Nur ist es so, daß die Pressefreiheit und Volksabstimmungen allein, die Bürgerrechte nicht sichern. Die Presse wird von der Politik und Justiz schon lange ignoriert. Die Veröffentlichungen von Affären in Politik und Wirtschaft glätten höchstens die Spitzen des darunterliegenden Berges von Korruption. Manche Einzelschicksale konnten durch dortige Veröffentlichungen und Unterstützung korrigiert werden. Der Rest bleibt auf der Strecke. Volksabstimmungen können gut sein, aber unter populistischen und demagogischen Makel leiden. Das Beamtentum muß eigentlich total abgeschafft werden, um Abhängigkeitsstrukturen (s. Praxis) zu beseitigen, dem Sinn einer Demokratie.

Und abgesehen von den woanders schon vorgetragenen Mängeln bei der PDS, haben die Landesregierungen, an denen die PDS beteiligt ist, durch nichts dazu beigetragen, den Richtern ihre Pflichten plausibel zu machen. Auch in diesen Bundesländern geht der Rechtsbruch weiter.
Gysi kehrte unlängst wiederum das innere nach außen, indem er ohne Prüfung zur Sache Schröders neuen Aufsichtsratsposten als normales Verhalten klassifizierte. Prof. von Arnim spricht dagegen von einer strafbaren Vorteilsnahme. Schröder hatte das Angebot für den Job schon vor der Bundestagswahl erhalten (Report München 12.12.05).

Solange in dieser Demokratieform vorhandene und zumutbare Rechtsmittel zur Beseitigung schweren Unrechts an den Bürgern oder einzelnen nicht fruchten oder von den zuständigen Stellen nicht in Anwendung kommen, hat diese Demokratieform in Bezug auf den Sinn einer Demokratie versagt. Eine gute Demokratie setzt das Notwendige am besten um. Die Nichtbehebung von schwersten Mängeln zeugen von einer schlechten oder fehlender Demokratie, auch wenn es ofiziell demokratische Regeln gibt.
Der Bürger wendet sich trotzdem gegen den Staat, selbst wenn Teile sonstiger Politik vernünftig sind. Das ergibt sich logischer Weise aus dem Umstand, wenn z.B. die nicht zufällige Falschauslegung eines Vertrages oder von Rechtsvorschriften durch Richter schweren Schaden zugefügt haben und selbst dann ein Verfassungsgericht nicht willig ist, die Grundrechtsverletzung (z.B. Ruin, dauerhaft eingeschränkte Handlungsfreiheit) daraus zu heilen. Es müßte ansich die Arbeit des Parlamentariers dort beginnen, wo der Schwerpunkt demokratischer Formen liegt. Und wenn er das nicht macht, ist er nicht der richtige Volksvertreter, weil er so den Sinn der Demokratie nicht erfüllt.

In den Sendungen von Escher (MDR) am 05.01.06 ("Die Macht der Demokratie") und 12.01.06 meint Professor Jann, "Man weiß, daß Leute, die in Bürokratien arbeiten zu Rigidität neigen, zu einer sehr engen Regelauslegung, ehrlich gesagt gelegentlich auch zu Besserwisserei. Das ist beinahe eine Berufskrankheit von Bürokraten. Es sei Verwaltungsführung gefragt."

Diese Begründung orientiert auf rein subjektive Schwächen der Entscheidungsträger und lenkt von der wahren Ursache ab, nämlich der ausdrücklichen, zumindest stillschweigenden, Erlaubnis, so Handeln zu dürfen. Das ergibt sich aus der Tatsache, daß idR Pflichtverletzungen keine Verantwortung nach sich zieht.

In der zweiten Sendung macht der Herr Konheiser (Abwasserzweckverband) analog dem Verhalten vieler anderer Entscheidungsträger diese Erlaubnis deutlich. 3 Familien, die eine eigene Kläranlage besaßen, waren viele Jahre zur Abwasserzahlung verpflichtet gewesen. Dann wies ein Gutachten aus, daß diese Familien garnicht am Abwassernetz angeschlossen seien. Rückzahlungsansprüche lehnte Herr Konheiser zunächst hartnäckig mit der Begründung ab, die Familien haben keinen Widerspruch eingelegt, weshalb die Zahlungsbescheide bestandskräftig und unanfechtbar geworden seien (analoges Verhalten vieler anderer Entscheidungsträger). Auf energischen Nachdruck von Escher räumte er dann eine Klärung der Rechtslage ein. Konkreter wurde er zur Rechtsanwendung nicht, obwohl von ihm erwartet werden kann, zu wissen, daß es Rücknahmevarianten von Bescheiden gibt. Der Rechtsanwalt in der Sendung nannte als Rücknahmerecht das Vorliegen eines schwerwiegenden Mangels und Rechtswidrigkeit des Bescheides wegen neuer Beweislage.

Dieses Recht findet man in der Abgabenordnung (§§ 124 ff, in Th. gem. Th. Kommunalabgabengesetz §§ 10, 15). Diese Vorschriften haben es allerdings in sich, z.B. in der Frage wann Rechtswidrigkeit vorliegt oder ein Widerrufsrecht besteht. Nicht nachvollziehbar ist der gesetzliche Begriff "unanfechtbarer" (-Verwaltungsakt), weil er jedem Außenstehenden auch tatsächlich eine völlige Unanfechtbarkeit des Bescheides suggeriert.

 

 

Mehr Demokratie und Bürgerrechte
Bundestag, 30. November 2005, Aussprache zum Koalitionsvertrag/Innenpolitik
Rede von Petra Pau


1.
Grundgesetz verteidigen
Wenn wir über Innenpolitik reden, über innere Sicherheit, über Kriminalitäts-Bekämpfung, über Polizei-Befugnisse und so weiter, dann reden wir zugleich immer auch über Demokratie und Bürgerrechte. Das ist jedenfalls der Generalansatz der Linksfraktion.
Beide Seiten bilden zuweilen ein Spannungspaar. Wir haben in den vergangenen Jahren am Beispiel der "Otto-Pakete" erlebt, wie Bürgerrechte einer vermeintlichen Sicherheit geopfert wurden. Die große Koalition will diesen falschen Kurs weiterführen. Damit werden sie auf den Widerstand der Linksfraktion stoßen.

2.
Verstöße aufklären
Zum Koalitionsvertrag komme ich gleich. Vorher spreche ich noch über zwei Hängepartien, die das Ausmaß der Bürgerrechtsverletzungen hierzulande illustrieren.
Ich meine die Spitzelaktionen des BND gegen Journalisten und ein renomiertes Friedensforschungsinstitut. Die BND-Spitze hat das selbst eingeräumt und als Fehler benannt. Das ist aber kein Fehler, das ist ein klarer Verstoß gegen die Pressefreiheit und damit gegen das Grundgesetz!
Ich meine weiterhin das Agieren der CIA auf europäischem und deutschem Territorium. Auch das sind Verstöße gegen allgemeine Menschenrechte und gegen unser Grundgesetz. Auch dafür gibt es hierzulande politisch Verantwortliche. Und ich will, dass das hier im Bundestag geklärt wird und nicht in verschlossenen Amtsstuben.

3.
Lauschangriffe zurücknehmen
Schon in den zurückliegenden Jahren gab es kaum ein Politikfeld, beim dem sich SPD und CDU so einig waren, wie in der Innenpolitik. Schily und Beckstein waren als siamesische Zwillinge legendär, und zwar nicht zum Guten.
Zählen sie selbst nach, wie viele Gesetze und wie oft ihre Sicherheits-Praxis vor dem Bundesverfassungsgericht gelandet ist und dort gerügt wurde. Ich erinnere nur an den großen Lauschangriff. Das alles hat aber in der großen Koalition offenbar nicht zum Umdenken geführt.
Ich nehme nur den neuesten Coup: Demnach will Innenminister Schäuble das bundesdeutsche Maut-System zum Fahndungs- und damit zum Überwachungs-System ausbauen. Die Linksfraktion lehnt das ab.

4.
Keine Bundeswehr im Innern
Ebenso den Einsatz der Bundeswehr im Innern. CDU und CSU wollen das ausdrücklich und dafür das Grundgesetz ändern. Bis vor kurzem war auch die SPD dagegen. Schaut man nun aber in den Koalitions-Vertrag, dann klingt das Nein der SPD bereits stark nach einem Jein.
Und einen großen Schritt zum Einsatz der Bundeswehr im Innern war Rot-Grün ja auch schon gegangen, als es das so genannte Luftverkehrssicherheitsgesetz beschloss. Kritiker haben es als "Lizenz zum Töten" bezeichnet. Ich teile diese Einschätzung. Auch dieses Gesetz wird derzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft. Ich begrüße das.

5.
Mehr Demokratie
Wir wollen etwas anderes: Wir wollen mehr direkte Demokratie auch auf Bundesebene. Das Thema ist nicht neu. Aber es drängt, auch angesichts der zunehmenden Parlaments-Verdrossenheit.
Seit 1990, seit der Vereinigung, wurden zwei historische Chancen verspielt, Volksabstimmungen ins Grundgesetz aufzunehmen. Die erste lag auf der Hand, als es darum ging, das provisorische Grundgesetz zu einer Verfassung zu erheben, die von der Bevölkerung angenommen wird.
Die zweite gab es zuletzt, als es um die EU-Verfassung ging. In nahezu jedem EU-Land kann die Bevölkerung direkt mitbestimmen. Spätestens hier wird offenbar: In Sachen direkter Demokratie ist die Bundesrepublik Deutschland ein EU-Entwicklungsland. Das muss sich endlich ändern.

6.
Übergreifende Integration
Es gab in der Koalition ein kurzes Kompetenzgerangel, in welchem Ressort die Beauftragte für Migration und Integration angesiedelt wird. Es ist ein ungemein wichtiges Amt. Das wissen wir nicht erst seit den gewalttätigen Eruptionen in Frankreich vor wenigen Wochen.
Ich bin erleichtert, dass die Wahl auf das Bundeskanzleramt fiel und nicht auf das Innenministerium. Denn die Themen Migration und Integration sind mehr denn je Querschnittsaufgaben. Genau dieser Anspruch findet sich aber im Koalitionsvertrag nicht wieder. Dort werden Menschen mit Migrations- Hintergrund weiterhin vorwiegend als Störfaktoren und Kriminelle betrachtet. Diese Sicht muss endlich überwunden werden.

7.
Beamtenrecht stärken
Ein weiteres Thema: Sie wissen, wir haben als Linke ein kritisches Verhältnis zum deutschen Beamtentum. Aber wir sind dagegen, dass der Staat sein Mütchen ausgerechnet an Beamtinnen und Beamten kühlt.
Deshalb wiederhole ich gern mein Standard-Bild: Ich bin prinzipiell gegen Prostitution. Aber so lange es sie gibt, werde ich mich dafür einsetzen, dass es den Prostituierten so gerecht wie möglich ergeht.
Die große Koalition ist mit einer Attacke gegen Beamtinnen und Beamten gestartet. Sie sollen länger arbeiten und dafür auf Bezüge verzichten. Zugleich werden ihnen alle Ansprüche auf mehr Mitsprache verwehrt.
Das ist nicht klug. Das ist auch nicht gerecht. Die Linksfraktion verschließt sich nicht, wenn es um ein modernes Beamtenrecht geht. Aber wenn, dann immer mit den Betroffenen, nicht ohne und nicht gegen sie.
Dazu gehört, dass auch die neue Koalition bislang keine Perspektive für Beamtinnen und Beamte in den Neuen Bundesländern eröffnet, die gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen weiterhin benachteiligt werden. Das ist ein Armutszeugnis, Frau Merkel.

8.
Appell an den Innenminister
Nun noch eine Bitte an Innenminister Schäuble. Sie haben 1996 laut FAZ gesagt, man müsse endlich weniger Demokratie wagen. Und sie haben gemeint, die Verfassung verkomme zur Fessel der Politik.
Ich appelliere:
Widerrufen Sie jetzt, öffentlich und glaubhaft. Das wäre auch ein unverzichtbarer Beitrag gegen den grassierenden Rechtsextremismus. Und wenigstens im Kampf gegen Rassismus, Nationalismus und Neofaschismus sollten wir uns als demokratische Parteien - über alle Fraktionsgrenzen hinweg - einig werden und aktiv sein.


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