Aufruf afrikanischer Flüchtlinge in Deutschland
Wir fordern die sofortige und bedingungslose Abschaffung
des gegen die Flüchtlinge in Deutschland gerichteten Apartheid
Residenzpflichtgesetzes!
Wir protestieren gegen die ständigen Kontrollen und die Unterdrückung von
Flüchtlingen durch deutsche Behörden und gegen die Politiker und
Legislative, die diese verantworten.
Bewegungsfreiheit ist unser individuelles und fundamentales Recht!
Beteiligt euch an Aktionen zivilen Ungehorsams!
In einem demokratischen Land wäre der einzige Grund für die staatliche
Kontrolle und Überwachung von Personen eine gravierende Gefährdung der
öffentlichen Ordnung oder der Schutz der BürgerInnen. Eine solche Kontrolle
geschähe auf der Grundlage der Verfassung durch ein Organ des Staates. Dabei
dürfte nicht nach Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Rasse der
kontrollierten Person unterschieden werden. Die Realität in Deutschland ist
jedoch eine andere.
Flüchtlinge in Deutschland sind das Opfer der Residenzpflichtgesetzes, eines
Systems von Aufenthaltszuweisungen und -beschränkungen, vergleichbar mit der
Ära der rassistischen Apartheid in Südafrika. Auch Deutschland hat seine
"Passgesetze". Es ist Flüchtlingen verboten, sich in Deutschland frei zu
bewegen. Sie dürfen den ihnen als Wohnort zugewiesenen Landkreis nicht
verlassen und sind verpflichtet in einer ihnen zugewiesenen
Flüchtlingsunterkunft (oft abgelegen oder mitten im Wald) zu wohnen. Die
Realität dieser Gesetze ist die Unterwerfung der MigrantInnen unter
erniedrigende Polizeikontrollen. Diese Kontrollen finden auf der Basis von
äußerlich sichtbaren Unterschieden zu den weißen Mehrheitsdeutschen statt.
Bewegungsfreiheit ist nicht verhandelbar und sollte in jeder demokratischen
Gesellschaft geschützt werden, denn sie ist die Grundlage, auf der sich die
menschliche Persönlichkeit erst entwickeln kann.
Artikel 13 der auch von Deutschland unterzeichneten Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte besagt: Jeder Mensch hat das Recht auf Bewegungsfreiheit
und auf freie Wahl des Wohnortes innerhalb eines Staates. Wir protestieren
deshalb entschieden gegen diese Form der Polizeikontrollen, die uns
diskriminieren und unsere Bewegungsfreiheit unter völliger Missachtung
unserer Menschenwürde und unserer Menschenrechte einschränken. Wie die
Passgesetze der Apartheidära in Südafrika ist auch die Residenzpflicht
Grundlage für rassistisch motivierte selektive Polizeigewalt nach den
Unterscheidungskriterien von "Rasse", Hautfarbe, Religion und Nationalität.
Dies ist nicht nur grundgesetzwidrig, es ist vor allem unzivilisiert. Es
gefährdet die Flüchtlinge, die allgemeine Unsicherheit, in der Flüchtlinge
und MigrantInnen leben, wird so staatlich gefördert.
Diese Polizeikontrollen, die uns daran hindern, uns von einem Ort zum
anderen zu bewegen, - und zwar ohne dass wir straffällig geworden wären -
bedeuten bewusst zugefügtes schweres physisches und psychisches Leid,
bewusst ausgelöst von staatlichen Institutionen. Wir werden mit
willentlicher Brutalität unmenschlich und erniedrigend behandelt und in
unserer persönlichen Entwicklung bedroht, nicht selten sogar zerstört.
Geschützt von Staat und Gesetz zementieren deutsche Polizeibeamte tagtäglich
den institutionellen Rassismus, verstoßen gegen den Datenschutz, indem sie
in unsere Privatsphäre eindringen und in die Privatsphäre derjenigen
Deutschen, die zu Flüchtlingen und MigrantInnen in Verbindung stehen. Sie
tun dies, um ein Gesetz umzusetzen, das uns unser Recht auf
Bewegungsfreiheit abspricht.
Auf der Grundlage von § 36 des Ausländergesetzes und § 56 des
Asylverfahrensgesetzes werden wir zu Kriminellen gestempelt: Wir werden
erkennungsdienstlich behandelt und unter Zwang fotografiert, unsere
Fingerabdrücke werden abgenommen und eine Kriminalakte über uns angelegt. In
den Polizeikontrollen, die sich gegen unsere Bewegungsfreiheit richten,
werden wir wie Kriminelle behandelt. Wir werden das Opfer von staatlich
gedeckter Polizeibrutalität, werden geschlagen und müssen uns ausziehen,
bekommen den Finger in den Hals gesteckt und in den Anus, eine Behandlung,
die einige von uns schon das Leben gekostet hat. Wir nennen dies Apartheid,
weil die Residenzpflicht, diese deutschen "Passgesetze", uns zu öffentlich
Verdächtigen machen, ohne dass wir Kriminelle sind; weil wir aus
rassistischen Gründen eingesperrt werden, ohne ein Verbrechen begangen zu
haben - und dies alles "legal" auf der Grundlage von § 59 und § 85 (2)
Asylverfahrensgesetz. Für den wiederholten Verstoß gegen die Residenzpflicht
können wir mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden, die
Entscheidungsgewalt darüber liegt bei den staatlichen Stellen. Oder wir
können für den Verstoß gegen die Residenzpflicht zu einer Geldstrafe von bis
zu 5.000 DM verurteilt werden (nach AsylVfG § 86). Und wenn wir die Strafe
(bei einem Einkommen von nur 80 DM Bargeld monatlich) nicht bezahlen können,
müssen wir als zusätzliche Strafe wie Zwangsarbeiter oder Sklaven arbeiten.
Dies ist übelste Ausbeutung, wie sie die Vereinten Nationen in Artikel 4, 5,
6, 9, 13 und 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verboten haben.
Wir werden mit diesen Polizeikontrollen kriminalisiert, wie Kriminelle oder
Mörder behandelt. Aber es geht noch weiter: Ein Flüchtling kann festgenommen
und für bis zu 18 Monate bis zu seiner Abschiebung inhaftiert werden, ohne
dass er kriminell geworden ist - all das auf legaler Grundlage (geregelt in
§ 57 Ausländergesetz und Artikel 59 Asylverfahrensgesetz). Sind wir Reisende
gleichgestellt mit Mördern in Eurem Land? Wir protestieren gegen
rassistische Kontrollen, grundlose Festnahmen und Haft und den
institutionalisierten Rassismus!
Deutsche haben oft die Tatsache vergessen oder verdrängt, dass sie mehr als
andere Länder von dem internationalen Recht auf Asyl profitiert haben,
zuerst in der Zeit des Nationalsozialismus, als unzählige Deutsche überall
in der Welt um Asyl nachsuchten, ein zweites Mal nach dem Zweiten Weltkrieg,
als sogar schuldige Nazis im Ausland Zuflucht fanden, teilweise in den
selben Ländern aus denen heute Flüchtlinge und MigrantInnen nach Deutschland
kommen - Flüchtlinge die unter dem Schutz der Allgemeinen
Menschenrechtserklärung der UN stehen. Aber wie ist die Lage in Deutschland
heute? Die deutsche Realität ist bestimmt von der politisch gewollten
Zerschlagung des individuellen und fundamentalen Rechts des Individuums auf
Asyl. Wir wollen die deutsche Gesellschaft in diesem Kontext an ihre
historischen Verpflichtungen erinnern.
Die repressive Politik gegen Flüchtlinge durch den deutschen Staat wirkt
weltweit und eskaliert ständig. Die deutschen Behörden arbeiten dabei
engstens mit den Faschisten, Diktatoren und korrupten Regimen der
Herkunftsländer der Flüchtlinge zusammen.
Wir protestieren und rufen zur sofortigen Abschaffung der Residenzpflicht
auf, die es nur in Deutschland seit 1982 gibt. Wir tun dies in Fortsetzung
unseres politischen Kampfes für menschliche Freiheit im Exil. Denn die
Residenzpflicht schränkt auch unser Recht auf Meinungs- und Redefreiheit
sowie das Recht auf Vereinigung ein und verstößt damit gegen die Artikel
13, 19, 20, 27 und 29 der von Deutschland unterzeichneten Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte.
Jeder Kompromiss mit der Einschränkung des Rechts des Einzelnen auf
Bewegungsfreiheit und mit der Beschränkung von Flüchtlingen auf
Aufenthaltsbereiche ist der Ausdruck politischer Korruption, bedeutet
Diskriminierung und stellt einen groben Verstoß gegen die Menschenrechte
dar.
Wir fordern ein Ende der Polizeikontrollen, die uns das Recht nehmen, uns
frei zu bewegen, die uns das Recht nehmen, frei zu leben. Denn Bewegung ist
Leben und Freiheit. Wir fordern Freiheit in einem als demokratisch
angesehenen Staat.
Hört damit auf, rassistische Gesetze umzusetzen.
Es gibt nur eine Menschheit, sie kann nicht aufgespalten werden, auch nicht
vom deutschen Staat.
Die Zeit ist reif, gegen diese Gesetze zivilen Ungehorsam zu leisten.
Nieder mit der Residenzpflicht, den Apartheid-Gesetzen
Deutschlands!Bewegungsfreiheit ist unser Recht! Deutschland ist für
Flüchtlinge nicht sicher!17.-19. Mai 2001 Protestmarsch und Aktionen in
BerlinFür die Abschaffung der Residenzpflicht nach Asylverfahrensgesetz § 56
und Ausländergesetz § 36!Wir fordern Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge in
Deutschland!
Da Flüchtlinge kein Geld besitzen, um die Kampagne zu finanzieren und
überhaupt an ihr teilnehmen zu können, sind Spenden absolut notwendig. Am
dringlichsten ist die Finanzierung von Bussen und anderen
Reisemöglichkeiten, ohne viele Flüchtlinge nicht kommen können.
Spendenkonto: 0231633905, BLZ: 860 100 90 PostBank Leipzig; Stichwort:
Berliner Residenzpflicht Protest
Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen in Deutschland
Koordinierung der Kampagne: The VOICE Africa Forum,
Flüchtlings-Menschenrechtsgruppe, Schillergässchen 5, 07745 Jena, Thüringen,
Tel.: 0049(0)3641/665214, 423794, Fax: 03641/423795, 420270. Mobilfunk:
+49(0)175/326 7398, 0170/475 0618, E-mail: The_VOICE_Jena@gmx.de
In Zusammenarbeit mit: Brandenburger Flüchtlingsinitiative;
Karawane-Koordination: Internationaler Menschenrechtsverein Bremen.
Münchenerstr. 17, 28215 Bremen
Tel. 0421/557 7093, Fax: 0421/557 7094 oder 0421/3466068. Email:
mail@humanrights.de
www.humanrights.de www.umbruch-bildarchiv.de
www.freespeech.org/inter/residenz
Berliner Vorbereitungsbündnis c /o Antirassistische Initiative, Yorckstr.
59, 10965 Berlin,
Tel. 0 30-785 7281, Fax 030-786 9984, E-mail ari@ipn.de