Kreditopfer vor seiner Immobilie

Mathias Lange muss hilflos zusehen, wie ihm amerikanische Investoren seine Mietshäuser wegnehmen wollen.


Frontal21

Rücksichtslose Geschäftemacher

US-Investoren schlachten Immobilienkredite aus

Vielen Hauseigentümern drohen Zwangsvollstreckungen und sogar der Verlust ihrer Immobilien. Denn deutsche Banken haben in den vergangenen Jahren Kredite an amerikanische Finanzinvestoren verkauft, ohne dass die Kreditnehmer etwas ahnten. Die neuen Gläubiger aber haben nur ein Ziel: Die Schulden schnell und gewinnbringend wieder einzutreiben - oft mit rabiaten Methoden.

von St. Judzikowski, H. Klar und I. Wohsmann, 22.08.2006

 

 

Für die Unternehmen aus Amerika ist Deutschland ein gefundenes Fressen. Denn viele Banken hierzulande sitzen auf riskanten, so genannten "faulen" Krediten in Milliardenhöhe. Sie stammen zum Teil aus leichtfertigen Immobiliengeschäften, einst in der Wende-Euphorie der 90er Jahre abgeschlossen. Zu groß ist die Gefahr, auf den Forderungen sitzen zu bleiben oder sie mühevoll eintreiben zu müssen. Dieses Risiko nehmen ihnen die Private-Equity-Unternehmen mit dem Kauf der Darlehen ab. Bei Geschäften dieser Art spielt der Kreditnehmer offenbar keine Rolle mehr.

 

 

Udo Reifner

Reifner: "Banken missbrauchen Vertrauen."

 

"Die Banken behandeln die Kunden hier wie Sachen", kritisiert Professor Udo Reifner vom Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen. Er wirft den Banken Verantwortungslosigkeit vor: "Kredit heißt Vertrauen. Das heißt ja nicht nur, dass die Bank dem Kunden vertraut, sondern auch, dass der Kunde der Bank vertraut. Dieses Vertrauen wird in hohem Grade missbraucht", so Reifner im Interview mit Frontal21.

Amerikaner kaufen Kreditpaket
     
Denn quasi über Nacht haben es die Kreditnehmer mit neuen Vertragspartnern und deren mitunter rücksichtslosen Geschäftspraktiken zu tun. Was das bedeutet, bekamen die Eheleute Lange aus Leipzig zu spüren. Als die HypoVereinsbank 2004 geschäftlich in die Krise geriet, wurde auch der Darlehensvertrag der Langes verkauft. Die Münchner Immobilientochter Hypo Real Estate trennte sich von einem Kreditpaket im Wert von insgesamt 3,6 Milliarden Euro. Käufer war die amerikanische Firmengruppe Lone Star.

 

 

 

In den 90er Jahren hatte das Ehepaar fünf Mietshäuser im sächsischen Leipzig gekauft und saniert - dafür ein Darlehen in Höhe von 1,2 Millionen Euro aufgenommen. Die anfangs noch niedrigen Zinsen von fünf Prozent bezahlten sie von den Mieteinnahmen. Doch als die Zinsbindung endete, kamen sie mit der Zahlung der noch ausstehenden Forderungen nicht mehr hinterher. Es liefen Rückstände auf. Doch statt zu helfen, verkaufte die Bank ihren Kreditvertrag.

 

 

Mathias Lange

Lange spricht von "eiskalter Enteignung".

 

Vollstreckung der Grundschuld
     
Als neuer Gläubiger stellte sich dem Ehepaar die Inkassogesellschaft Hudson Advisors im Auftrag der amerikanischen Lone-Star-Firmengruppe vor. Die forderte nun neun Prozent Zinsen, zuzüglich einer Tilgung von einem Prozent. Das konnten die Langes nicht aufbringen. Sie warfen dem neuen Gläubiger vor, ohnehin kein Interesse gehabt zu haben, die Kredite weiterzuführen. Mathias Lange erzählt: "Ich sollte im Prinzip Verkaufsvollmachten und Abtretungserklärungen unterzeichen. Das habe ich nicht getan."

Doch das Unternehmen ließ nicht locker und ging vor Gericht. Denn der Gläubiger kann die Grundschuld, die als Sicherheit für den Kreditvertrag eingetragen wurde, sofort vollstrecken lassen: "Für mich ist das wie eine eiskalte Enteignung. Denn ich bin jetzt zwischenzeitlich in der Zwangsverwaltung, Zwangsversteigerung drin. Die Leute haben nur ein Ziel, gnadenlos an die Immobilien ranzukommen", sagt Lange.

 

 

 

Ohne Einverständnis der Kreditnehmer
     
Der Rechtsanwalt Ingo Schulz-Hennig geht gegen den Verkauf des Kreditpaketes der Hypo Real Estate an Lone Star gerichtlich vor. Für ihn ist klar: Hier ging einiges nicht mit rechten Dingen zu. So seien in das Paket neben "faulen" Krediten, also Forderungen aus gekündigten Verträgen, in großem Umfang auch bestehende Darlehensverträge hineingenommen worden. "Das ist aus meiner Sicht rechtlich unzulässig, ohne eine entsprechende Genehmigung der Darlehensnehmer", so Schulz-Hennig gegenüber Frontal21.

 

 

 

Und er sieht noch ein weiteres Problem: So habe die Bank vertrauliche Kundendaten, wie Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kreditnehmer an Lone Star weitergegeben, noch bevor feststand, ob der Verkauf überhaupt zustande kommt. "Ich halte das für einen ganz gravierenden Verstoß gegen das Bankgeheimnis. Das Bankgeheimnis ist für mich das Fundament der Kunden-Bank-Beziehung, und zwar weltweit", sagt Schulz-Hennig.

 

 

 

Verstoß gegen das Bankgeheimnis?
     
Ein Vorwurf, den die Hypo Real Estate auf Nachfrage von Frontal21 nicht gelten lassen will. Schriftlich heißt es: "Das Bankgeheimnis wurde bei dem Portfolioverkauf selbstverständlich nicht missachtet. Wir weisen diese Unterstellung mit Nachdruck zurück."

 

 

 

Schulz-Hennig hofft nun für seine Mandanten, dass der Bundesgerichtshof möglichst bald den Geschäftspraktiken der Banken und der Inkasso-Unternehmen ein Ende setzen wird.

 

 

 

 

 

Anmerkung: Das hier genannte Beispiel mit Herrn Lange ist etwas unglücklich gewählt, da er offenkundig schon vor dem Verkauf an die amerikanischen Finanzinvestoren Zahlungsschwierigkeiten hatte. Schwerer wiegt der Verkauf von noch laufenden oder gerade hinsichtlich der vertraglichen Zinsbindungsfrist ausgelaufenen Kreditverträgen, da der Kreditnehmer vereinbart oder darauf vertraut hatte, von seiner Bank für den restlichen Abzahlungszeitraum marktübliche Zinsen zu erhalten oder Umstände vorlagen, die eine anderweitige günstige Anschlußfinanzierung sicherten.
Ein Rechtsanwalt Leonhard Baur meint ("exakt", 08.08.06, MDR), die deutschen Banken hätten den Verkauf nur mit Zustimmung des Kunden tätigen dürfen. Die Gegenseite beruft sich auf ein Umwandlungsgesetz, daß den Verkauf auch ohne Zustimmung zuließe. (Was noch zu prüfen wäre.)
Soweit Vereinbarungen fehlen, konnte aus marktwirtschaftlicher Sicht heraus ein Kreditnehmer für den Restbetrag davon ausgehen, nach der Zinsbindung ein einigermaßen zinsgünstiges (sicher etwas schlechteres) Darlehen wieder erhalten zu können. Da, wo statt Marktwirtschaft stillschweigende Absprachen zum Nachteil des Kreditnehmers stattfinden, werden diese allgemeinen und üblichen Regeln des Geschäftsverkehrs unterlaufen. Das Augenmerk hätte aus Sicherheitsgründen (nicht zwingend) aber immer darauf liegen müssen, innerhalb der ersten Zinsbindungszeit, sich in die Lage zu versetzen, den Restbetrag nach dessen Ablauf sofort auszahlen zu können.

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